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Versandhandelbetrug

Als Geschäftsführerin eines Online-Shops für erotische Dessous muss ich sagen, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass die Betrugsfälle im Onlinehandel so häufig sind. Naja, ich gehe ja auch grundsätzlich erstmal von ehrlichen Kunden aus. Ich habe auch keinerlei Verständnis für diese Betrüger, die Ware bestellen ohne die Absicht, diese jemals zu bezahlen. Erotische Dessous sind im Grunde Luxusartikel. Das Überleben hängt nicht von dem Kauf eines Babydolls, einer Corsage oder eines Slip ouvert ab.

Das Problem ist, dass diese Betrüger mit einem erfundenen Namen bestellen, um so eine negative Bonitätsauskunft beim Kauf auf Rechnung zu umgehen. Denn die negative Bonitätsauskunft hat zur Folge, dass die Bestellung automatisch abgelehnt wird.

Die Anfänger

Bevor im Check-Out die Bonität abgefragt wird, haben wir allerdings erstmal einen Adresscheck. Es wird also geprüft, ob es sich denn überhaupt um eine zustellfähige Anschrift handelt. Wenn der Kunde eine falsche Hausnummer angibt in der Hoffnung, der DHL-Bote weiß schon, wo er das Paket abgeben muss, wird die Hausnummer automatisch auf die Richtige korrigiert. Hier ist dann schon zu beobachten, dass viele gerne rumprobieren, denn sie wollen ja nicht ihre tatsächliche Anschrift preisgeben. Irgendwann versteht aber auch hier der Dümmste, dass es keinen Sinn hat mit dem Probieren. Also geben wir doch einfach mal einen anderen Namen an. Vielleicht den tatsächlichen Namen? Autsch, das Zahlungsmittel Kauf auf Rechnung steht Ihnen aufgrund einer negativen Bonitätsauskunft leider nicht zur Verfügung.

Na gut, dann erfinde ich eben einen Namen. Mist, der Name ist unter der Anschrift nicht bekannt. Das ist keine zustellfähige Adresse.

Das sind die Anfänger beim Betrügen.

Die Profis

Die Profis geben von vornherein einen falschen Namen an, der dann natürlich auch schon am Briefkasten klebt. Zumindest haben diese Betrüger unter diesem Namen schon mal Post oder Pakete bekommen, so dass es sich um eine zustellfähige Adresse handelt. Zu einer erfundenen Person gibt es natürlich für einen gewissen Zeitraum auch keine negative Bonitätsauskunft. Pech für den Online-Shop-Betreiber. Denn die Rechnung wird nicht bezahlt, die Mahnungen ignoriert. Spätestens wenn der Betrüger Post von einem Inkassounternehmen bekommt, wird der falsche Name vom Briefkasten entfernt und einfach ein neuer angeklebt.

Wenn die Deutsche Post schlau wäre, würden sie daraus ein Geschäftsmodell entwickeln. Die Briefträger und Paketboten wissen schließlich, wie häufig jemand den Namen an seinem Briefkasten wechselt. Und die Paketboten wissen auch, dass immer ein und dieselbe Person die Pakete für verschiedene Personen annimmt.

Mehrfach-Bestellungen

Auch immer wieder zu beobachten: Es wird innerhalb kürzester Zeit mehrfach bestellt. Erstmal vorsichtig testen und wenn es dann klappt mit einer kleinen Bestellung, dann kommt die nächste gleich hinterher. Hier wissen wir im Grunde gleich, dass es sich um einen Betrüger handelt. "Normale" Kunden bestellen schließlich alle Artikel in einer Bestellung und nicht in zwei oder drei hintereinander. Vermutlich wissen die Betrüger, dass viele Shops erst ab einem bestimmten Betrag eine Bonitätsabfrage durchführen oder kleinere Rechnungen nicht zum Inkasso gehen. Wir geben allerdings jede offene Rechnung zum Inkasso. Das kostet uns nämlich gar nichts - außer die zehn Minuten Zeit für das Ausfüllen des Webformulars. Und gerade die kleineren Beträge werden auch gezahlt, da es sich meistens um real existierende Personen handelt, die keine negative Bonität haben wollen. Diese Betrüger haben lediglich auf die Nicht-Einschaltung eines Inkassounternehmens spekuliert.

Beim Filtern dieser Mehrfach-Bestellungen behelfen wir uns durch ein selbstgeschriebenes Programm. Bei jeder Bestellung wird in unserem System angezeigt, ob es zu dieser Anschrift schon eine Bestellung gibt — unabhängig von Namen. Daher können wir ganz gut aussortieren und die Bestellungen dann einfach stornieren.

Eine kleine Anekdote

So haben wir dann wieder mal eine Bestellung abgelehnt und den Kunden darüber informiert. Die Reaktion des Kunden war, doch erstmal Vor- und Nachnamen im zuvor freiwillig angelegten Kundenkonto zu ändern. Hallo! Für wie blöd hältst du uns eigentlich? Wir sehen das natürlich überhaupt nicht, dass der Name geändert wurde. Naja, schreiben wir dem Kunden doch mal, ob er gerne eine Anzeige wegen Betruges haben möchte. Die Antwort war echt geil und ich kann da auch immer noch drüber lachen.

"Guten tag...die sachen hat meine frau bestellt und der XXX wohnt zwar auch in diesem haus nur ne etage unter uns...weiter haben wir nix zu tun mit ihm ausser nachbarschaft...was jetzt schief gelaufen ist weiss ich nicht...."

Ja, nee, ist klar. Wie hoch ist bitte schön die Wahrscheinlichkeit, dass zwei verschiedene Kunden exakt die gleichen Dessous in der gleichen Größe bestellen und dann auch noch in einem Haus wohnen? Und die beiden teilen sich natürlich auch noch ein Kundenkonto!

Strafbarkeit

Wie schön, dass ich dann doch noch drüber lachen kann. Aber im Grunde sind diese Betrugsfälle ein großes Problem. Das ist wohl auch der Grund, warum viele Shops keinen Rechnungskauf mehr anbieten. Neben dem wirtschaftlichen Schaden für den Online-Shop-Betreiber geht das natürlich auch zu Lasten der ehrlichen Kunden.

Schlimmer ist eigentlich, dass den unehrlichen Kunden wohl nicht klar ist, dass sie sich strafbar machen. Die denken bestimmt, dieses Verhalten sei ein Kavaliersdelikt. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Es handelt sich um einen Betrug gemäß § 263 Strafgesetzbuch, welcher mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft wird. Die Menschen haben den Online-Shop-Betreiber über ihre Zahlungsabsicht und eventuell auch noch über ihren Namen getäuscht und einen wirtschaftlichen Schaden verursacht. Und wie ich oben schon schrieb, ich habe wirklich überhaupt kein Verständnis für diese Betrüger.

Allein diesen Monat haben wir bereits 8% der Bestellungen aus oben genannten Gründen dank unseres eigenen Warnsystems abgelehnt. Und dabei darf man nicht vergessen, dass viele Betrüger schon beim Adresscheck oder der Bonitätsabfrage rausfallen, also erst gar keine Bestellung abgeben können. Und wir verkaufen erotische Dessous. Ich will gar nicht wissen, wie hoch die Betrugsquote bei Elektroartikeln ist.


17.01.2016 Sandra Böhm, mailandra-boehm.de.
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