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Smart City

Ich habe diese Woche einen Artikel im Spiegel zum Thema Stadtplanung gelesen und mich hat das Grausen gepackt.

Alltag in Smart City

Mein Wecker klingelt heute eine Stunde früher als üblich, weil es auf meinem Weg zur Arbeit einen Unfall gegeben hat, aufgrund dessen ein riesiger Stau entstanden ist. Darüber wurde auch meine Heizung informiert, damit ich im Bad nicht frieren muss — schließlich haben wir Winter und aus Gründen des Klimaschutzes wird die Heizung nachts abgeschaltet. Damit auch mein Auto weiß, dass es diesen Stau umgehen muss, wird schon in der Produktion ein Chip zur Überwachung mitsamt Navigationssystem eingebaut. Ohne eingegebene Zieladresse lässt sich das Auto auch gar nicht erst starten. Ich verlasse das Haus und mein Auto bringt mich pünktlich zur Arbeit. Mein Arbeitgeber hat mir einen festen Parkplatz zur Verfügung gestellt, dessen Absperrung sich automatisch öffnet, wenn es mich als berechtigten Parker erkennt. Außerordentlich praktisch ist auch, dass die Laterne an meinem Parkplatz heller wird, wenn sich mein Auto nähert. Wenn ich nach der Arbeit wieder zu Hause bin, werde ich dort die Lebensmittel vorfinden, die meine Schränke automatisch nachbestellt haben. Auch die Wäsche ist fertig, weil die Waschmaschine automatisch gestartet wird, wenn überflüssiger Strom verbraucht werden muss. Und da heute der Erste des Monats ist, müssten auch schon meine Parkgebühren vom letzten Monat abgerechnet worden sein.

Ich stehe lieber im Stau

Um die erforderlichen Daten für einen effizienten Verkehr sammeln zu können, werden Sensoren in Straßen eingelassen und die Daten von Maut-, Verkehrsleit- und Parksystemen verwendet und ausgewertet. Natürlich wollen wir hier nicht die Daten von "Augenzeugen" vergessen, die IBM ebenfalls nennt. Was auch immer damit gemeint ist — Menschen wohl kaum, sondern eher Kameras.

Ich will nicht abstreiten, dass ein effizienter Verkehr, in dem Autos bei einem Stau automatisch umgeleitet werden, für Rettungswagen, Polizei und Feuerwehr vorteilhaft wären. Hilfe könnte die Menschen so schneller erreichen. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, wo die dafür erforderlichen Daten herkommen: Von unserer Überwachung.

Wenn Staus oder ein erhöhtes Verkehrsaufkommen festgestellt werden sollen, müssten die Autos mit einem Chip ausgestattet werden. Und wenn ich den Stau umfahren soll, müsste mein Auto wohl auch wissen, wo ich hin möchte. Das bedeutet aber auch, dass ich grundsätzlich in irgendeiner Art und Weise meine Zieladresse irgendwo eingeben muss und ein Navigationssystem oder der Ortungschip im Dauereinsatz wären. Wenn sich jeder aussuchen könnte, ob seine Daten verwendet werden sollen, wäre die ganze Idee ja schließlich nicht mehr effizient.

Personalisierte Daten zu Abrechnungszwecken

Wenn dann noch der intelligente Verkehr mit einem intelligenten Parken verbunden wird, sind die Verkehrsdaten personalisiert.

Denn die Idee des intelligenten Parkens beinhaltet nicht nur die Anzeige freier Parkplätze, sondern auch eine automatische Abrechnung der Parkgebühren. Um die Gebühren abzurechnen, komme ich dann wohl nicht mehr um die Angabe meines Namens und meiner Kontodaten drum herum. Und schon wissen die Behörden, wo ich mich wann aufgehalten habe.

Die Überwachung beim Parken wird übrigens schon praktiziert. In manchen Städten können die Parkgebühren per Mobiltelefon bezahlt werden.

Mündigkeit versus Bequemlichkeit

Die Smart City soll die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen verbessern. Die Frage, die sich mir stellt, ist allerdings: Wie sehr verlieren wir unsere Fähigkeit zum selbständigen Denken und Handeln? Die Technik soll uns alles abnehmen. Das Ergebnis ist aber, dass der Mensch nicht mehr so viel nachdenken muss. Die Auslastung des Stromnetzes entscheidet, wann die Wäsche gewaschen wird; die Verkehrsführung entscheidet, welchen Weg wir zur Arbeit nehmen und wann wir dafür aufstehen müssen. Der Kühlschrank weiß von selbst, dass die Milch abgelaufen ist und bestellt beim Supermarkt mit Lieferservice automatisch neue. Das funktioniert mit allen Lebensmitteln, die ich im Haus habe, so dass ich gar nicht mehr zum Einkaufen muss. Ich esse dann zwar mit schöner Regelmäßigkeit stets das Gleiche, aber wer braucht schon Abwechslung. Außerdem ist Einkaufen sowieso doof — ich könnte dabei ja auf neue Ideen kommen und meinen Horizont erweitern. Wahrscheinlich wird auch der Wasserverbrauch gesteuert und weil ich diesen Monat schon das mir zugewiesene Wasserkontingent verbraucht habe, kann ich eben nicht mehr duschen. Im Sinne des Umweltschutzes ist das natürlich sinnvoll und deswegen denke ich gar erst darüber nach, dass ich um meine Entscheidungsfreiheit gebracht werde. Es ist ja alles so schön einfach und bequem, wenn die Technik sich automatisch darum kümmert und ich nicht selbst daran denken muss.

Santander ist neben einigen anderen Städten solch eine Smart-City-Teststadt. In New Songdo können sogar alle Gebäude per Videokonferenz miteinander verbunden werden.

14.12.2013 Sandra Böhm, mailandra-boehm.de.
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