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Die 10 Gebote des Geschäftsführers

Anhand der zehn Gebote des Geschäftsführers, welche Martin Lutter in seinem Aufsatz "Haftung und Haftunsgfreiräume des GmbH-Geschäftsführers" dargestellt hat, möchte ich meine persönlichen Erfahrungen mit einem ganz bestimmten Geschäftsführer schildern.

Nach § 43 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Wenn der Geschäftsführer der Aufgabe der ordnungsgemäßen Geschäftsführung nicht gewachsen ist, dann ist er dazu verpflichtet, sich sachkundiger Hilfe zu bedienen oder sein Amt niederzulegen. Arbeitsüberlastung, Dummheit oder Überforderung können daher keine Ausrede für eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers sein.

1. Gebot: Einhaltung der Gesetze

Die Einhaltung der Gesetze sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Aber weit gefehlt, es ist anscheinend nicht für alle Geschäftsführer eine Selbstverständlichkeit, gesetzliche Pflichten einzuhalten. Zu den gesetzlichen Pflichten gehören unter anderem die Kapitalerhaltung, die rechtzeitige Insolvenzanmeldung und die Pflicht zur Buchführung nach §§ 238 ff. HGB.

Und hier wird es nun interessant. Der Geschäftsführer ist also dafür verantwortlich, dass die Buchführung den ordnungsgemäßen Grundsätzen, den GoB, entspricht. Zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung gehört unter anderem die Buchung einzelner Belege sowie die zeitnahe Buchung von Kassenbelegen.

Wenn nun der Geschäftsführer einem Angestellten die Weisung erteilt, sämtliche Kassenbelege eines bestimmten Zeitraumes mit einer Mehrwertsteuer von 19% sowie sämtliche Kassenbelege eines bestimmten Zeitraumes mit einer Mehrwertsteuer von 7% zusammenzufassen, dann hat der Geschäftsführer gegen den Grundsatz "Jeder Beleg ist einzeln zu buchen" verstoßen. Zudem ist die Kasse zeitnah, wenn möglich also täglich, zu buchen, damit jederzeit ein Kassensturz durchgeführt werden kann. Werden die Kassenbelege aber nur einmal im Monat gebucht, so wird gleichfalls gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung verstoßen.

Auch die Erstellung diverser Simulationen eines Jahresabschlusses stellen einen Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Buchführung dar. Der Jahresabschluss hat die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft abzubilden. Die tatsächlichen Verhältnisse lassen sich aber nicht simulieren, sondern beruhen auf Fakten.

2. Gebot: Einhaltung der Satzung

Der Geschäftsführer hat die Satzung und die sich daraus ergebenden Pflichten und Schranken zu beachten. Dazu gehören in erster Linie der Zweck und der Gegenstand der Satzung. Der Gegenstand der Satzung stellt eine bindende Schranke der Geschäftsführungsbefugnis dar. Wenn der Geschäftsführer diese Schranke überschreitet, verletzt er zugleich seine Befugnis und ist der Gesellschaft zum Ersatz eines daraus resultierenden Schadens verpflichtet.

Es gibt allerdings zwei zulässige Ausnahmen. Vorübergehend können Erwerbschancen außerhalb des Gesellschaftszwecks wahrgenommen werden, wenn sonst vorhandene Ressourcen der Gesellschaft brachlägen, weil eine gewinnbringende Verwendung innerhalb des Gesellschaftszwecks derzeit nicht möglich ist. In sachlicher Beziehung können solche Geschäfte zulässig sein, soweit es sich um Rand- oder Annexbereiche handelt.

3. Gebot: Einhaltung des Anstellungsvertrages

Der Anstellungsvertrag enthält oft einen sogenannten Kompetenzenkatalog, durch den die vom Gesetz zugelassenen Befugnisse eingeschränkt werden. Aber auch die gar nicht seltene Zuweisung eines Ressorts enthält eine Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis. Ist der Geschäftsführer für die IT und die Entwicklung zuständig, dann ist er eben nicht für die Buchführung zuständig. Verletzt der Geschäftsführer diese Kompetenzen und entsteht der Gesellschaft daraus ein Schaden, ist er ersatzpflichtig.

Etwas anderes kann sich in Einzelfällen ergeben, so zum Beispiel bei einer andauernden Krankheit eines Geschäftsführers. In einem solchen Fall kann es nicht im Sinne der Gesellschaft sein, wenn sich der zweite Geschäftsführer ausschließlich um sein Ressort kümmert und das Ressort des erkrankten Geschäftsführers brachliegt. Hier ist der verbleibende Geschäftsführer aus seiner Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft dazu verpflichtet, die Aufgaben des erkrankten Geschäftsführers zu übernehmen.

Übernimmt also der kaufmännische Geschäftsführer aufgrund einer andauernden Erkrankung des technischen Geschäftsführers dessen Ressort, dann hat er die volle Verantwortung zu tragen. Unterlässt er einen Test für die Verkaufsfreigabe eines neuen Gerätes und stellt sich dann heraus, dass das Gerät mangelhaft ist, dann haftet der kaufmännische Geschäftsführer und hat der Gesellschaft den Schaden zu ersetzen.

4. Gebot: Einhaltung von Weisungen der Gesellschafter

Der Geschäftsführer hat die Weisungen der Gesellschafter, wenn sie einen entsprechenden Beschluss gefasst haben, zu befolgen, mag ihm der Inhalt sachlich auch noch so verfehlt erscheinen. Der Geschäftsführer hat nur zu überprüfen, ob die Weisung vom richtigen Organ stammt und ob die Durchführung der Weisung gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt. Widersetzt er sich der mit den Gesetzen im Einklang stehenden Weisung, verletzt er seine Pflichten.

Bei einer Zweimann-Gesellschaft, in der der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist, stellt sich das Problem einer Einhaltung von Weisungen relativ selten. Ihm missliebige Weisungen bzw. Beschlüsse kann der Gesellschafter-Geschäftsführer schließlich verhindern, indem er dagegen stimmt. Gesellschafter-Geschäftsführer sind nur in wenigen Fällen vom Stimmrecht ausgeschlossen. Ein Stimmrechtsausschluss bei jeder möglichen Interessenkollision besteht hingegen nicht.

5. Gebot: Ordnungsgemäße Organisation der Gesellschaft

Die Organisation der Gesellschaft gehört zu den Grundpflichten des Geschäftsführers. Sie umfasst die Aufstellung von Regeln und die Zuweisung von Aufgaben und Pflichten an die einzelnen Mitarbeiter zur Verwirklichung des Gegenstandes der Gesellschaft. Aber auch die Vorgabe von sachlichen und zeitlichen Zielen fällt unter dieses Gebot.

Eine Grundvoraussetzung für die Organisation ist zunächst das Delegieren. Wenn der Geschäftsführer aber schlichtweg nicht delegieren kann, weil er meint, er müsse sich selbst um alles kümmern, obwohl er die entsprechende Fachkenntnisse gar nicht hat, dann kann der Geschäftsführer auch nichts organisieren.

Es stellt sich die Frage, was passiert, wenn der Geschäftsführer nicht organisieren kann und auch keine Ziele hat. Oder noch schlimmer: Der Gesellschafter-Geschäftsführer möchte nicht, dass die Firma wächst, weil er dann ja noch mehr arbeiten müsse. Im Grunde könnte die Gesellschafterversammlung einen entsprechenden Beschluss fassen und dem Geschäftsführer eine bestimmte Art der Organisation vorschreiben und unternehmerische Ziele vorgeben. Diese Idee hilft allerdings nicht, wenn es sich bei dem einzigen Geschäftsführer um einen Gesellschafter-Geschäftsführer handelt und beide Gesellschafter 50% der Anteile halten. In einem solchen Fall ist er nämlich nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen und der Beschluss führt zu keinem Ergebnis.

6. Gebot: Kontrolle der Organisation

Der Geschäftsführer muss die Einhaltung der Organisation kontrollieren. Er muss sich persönlich oder durch andere Vorgesetzte vergewissern, dass Anordnungen und Weisungen eingehalten werden. Fehlt ihm die erforderliche Fachkenntnis für die Kontrolle des Fachpersonals, dann muss er einen leitenden Angestellten mit den entsprechenden Fachkenntnissen einstellen oder eben auf einen Gesellschafter mit den entsprechenden Fachkenntnissen zurückgreifen.

7. Gebot: Kontrolle der Finanzen

Der Geschäftsführer hat die Pflicht zu ständiger Beobachtung von Liquidität und Verschuldung. Unterlässt er bei einer erkennbaren Schieflage der Finanzen oder bei einem erheblichen Umsatzrückgang entsprechende Gegenmaßnahmen, dann verletzt er seine Pflichten. Ergreift der Geschäftsführer keine Gegenmaßnahmen, so ist er der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet.

Der Geschäftsführer kommt dieser Pflicht dann nicht hinreichend nach, wenn er trotz Umsatzrückgangs die Akquise gänzlich einstellt, weil er dafür angeblich keine Zeit habe. Als Geschäftsführer steht es ihm nämlich jederzeit frei, Personal einzustellen und Aufgaben zu delegieren.

8. Gebot: Vermeidung von Risiken

Es gibt kein unternehmerisches Handeln ohne Risiko. Dennoch hat der Geschäftsführer vor Rechtsgeschäften einer bestimmten Größenordnung die Höhe des Risikos zu kalkulieren und gegebenenfalls vom Geschäft Abstand zu nehmen. Dabei gilt der Grundsatz: Je größer der mögliche Schaden und je wahrscheinlicher das Eintreten eines solchen Schadens ist, desto gründlicher muss die Entscheidung durch den Geschäftsführer vorbereitet werden.

Schöner wäre allerdings ein Gebot oder eine Pflicht, die dem Geschäftsführer auferlegt, gewisse Risiken einzugehen und unternehmerisch zu Handeln. Wenn der Geschäftsführer gar kein unternehmerisches Risiko eingehen möchte, dann kann die Firma auch nicht wachsen. In einem solchen Fall ist der Geschäftsführer sicherlich mit einer anderen beruflichen Tätigkeit besser aufgehoben.

9. Gebot: Vermeidung von Konflikten

Hierhin gehört das Wettbewerbsverbot, das Einsichts- und Auskunftsrecht des Gesellschafters sowie ganz allgemein die Treuepflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft. Der Geschäftsführer hat die Interessen der Gesellschaft mit Nachdruck zu verfolgen und seine eigenen Interessen ganz und gar hinten anzustellen. Er ist dazu verpflichtet, Konflikte zu vermeiden und diese nicht noch zu schüren.

Liest sich einfach, sagt sich einfach, ist in der Realität wohl nicht so einfach. Zumindest nicht, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer ausschließlich an seine eigenen finanziellen Interessen denkt und dem zweiten Gesellschafter nicht "das Schwarze unter den Fingernägeln" gönnt.

Wenn nun der Geschäftsführer behauptet, es läge ein Gewährleistungsfall vor, so dass sämtliche Gewinne eines Jahres zurückgestellt werden müssen, und kann er aber keinen einzigen Beweis für das Vorliegen eines Gewährleistungsfalles erbringen, so vermeidet der Geschäftsführer keinen Konflikt, sondern provoziert einen solchen.

In dem mir bekannten Fall hat der Geschäftsführer trotz mangelnder Beweise auf einer Rückstellung sämtlicher Gewinne beharrt. Es ging so weit, dass die Gesellschafter sich vor Gericht über diese Rückstellung gestritten haben. Im Verfahren kam dann heraus, dass der Geschäftsführer noch im Jahr der Kenntniserlangung von Problemen mit dem verkauften Produkt diese Fehler behoben hatte. Rein rechtlich war somit nichts zurückzustellen, da für eine Inanspruchnahme durch Kunden keinerlei Anhaltspunkte bestanden. Nun hatte sein Rechtsanwalt die glorreiche Idee einer Kulanzrückstellung, wovon vorher nie die Rede war. Eine geringere Rückstellung wurde zudem wiederholt abgelehnt — auch nachdem das Gericht bereits auf die Überhöhung der Rückstellung sowie auf eine Verletzung der kaufmännischen Sorgfaltspflicht hingewiesen hatte. So viel zur Vermeidung von Konflikten.

Wenn der Geschäftsführer darüber hinaus die Gesellschafter nicht über den Verlauf der Schadensabwicklung informiert, Auskunftsersuchen diesbezüglich ignoriert, die Mitteilung über eine gefundene Lösung zur Problembehebung unterlässt, ja dann muss er sich auch nicht darüber wundern, wenn er abberufen und sein Anstellungsvertrag fristlos gekündigt wird. Denn zu all diesen Informationen war der Geschäftsführer verpflichtet.

10. Gebot: Sorgfältige Vorbereitung von Entscheidungen

Unternehmerische Entscheidungen sind alle Maßnahmen des Geschäftsführers zur Verwirklichung des Gegenstandes der Gesellschaft. Diese Entscheidungen liegen im Ermessen des Geschäftsführers, das Risiko trifft die Gesellschaft.

Angemessene Vorbereitung bedeutet, gemessen an der Bedeutung der Investition oder des Geschäfts für die Gesellschaft, entsprechende Investitionsrechnungen anzustellen, Marktanalysen durchzuführen und die Folgen abzuschätzen.

Das Geld der Gesellschaft für die Anschaffung von im Grunde überflüssigen Geräten aus dem Fenster zu schmeißen, genügt diesen Anforderungen nicht. Wenn der Geschäftsführer eine für die Gesellschaft vergleichsweise hohe Investition tätigen möchte, dann muss er auch eine fundierte, betriebswirtschaftliche Berechnung anstellen, aus der sich die Amortisation ergibt. Die bloße Hoffnung, mithilfe des angeschafften Gerätes ließen sich Personalkosten einsparen, ist dafür nicht ausreichend.

Dieses Gebot lässt sich auch auf die Abwicklung eines Gewährleistungsfalles übertragen. Wenn sich herausstellt, dass ein verkauftes Gerät mangelhaft ist und eventuell ein Serienschaden vorliegen könnte, dann hat der Geschäftsführer alles zu unternehmen, um das Risiko einer Inanspruchnahme der Gesellschaft so gering wie möglich zu halten.

Behauptet der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern, es bestehe eine Gefahr für Leib und Leben Anderer, dann hat er das Produkt unverzüglich zurückzurufen. Ich würde hier so weit gehen, zu behaupten, dass der Geschäftsführer in einem solchen Fall gar kein Ermessen hat. Es gibt nur eine Möglichkeit: den Rückruf. Unternimmt er hingegen schlichtweg anderthalb Jahre gar nichts, verletzt er seine Pflichten.

Besteht hingegen gar kein Gewährleistungsfall, sondern der Geschäftsführer möchte die defekten Geräte im Rahmen einer Kulanz austauschen, ohne dass die Kunden der Gesellschaft sich über eine Fehlfunktion des Gerätes beschwert haben, dann ist er dazu verpflichtet, eine möglichst kostengünstige Lösung für die Abwicklung zu wählen. Denn die entstehenden Kosten stellen durchaus ein planbares Risiko dar. Besteht dabei die Möglichkeit, die betroffenen Geräte im Rahmen einer gesetzlich vorgeschriebenen, alljährlichen Wartung auszutauschen, ohne dass den Kunden der Gesellschaft extra Arbeitskosten durch eigenes Personal entstehen, so hat der Geschäftsführer diese Möglichkeit zu wählen. Aus seiner Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber und dem Gebot zur Vermeidung von Risiken kann sich nur eine Einschränkung seines Ermessens ergeben.


17.01.2016 Sandra Böhm, mailandra-boehm.de.
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