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Alternative Lebensformen

Alternative Lebensformen? Meine Freundin nannte meine Lebensweise so — weil ich eben nicht irgendwo angestellt bin und die letzten neun Monate Sabbat gemacht habe und weil ich eine GmbH gegründet habe, um zukünftig Corsagen und Dessous im Internet zu verkaufen.

Meine Tante sagt dazu, ich würde nichts aus meinem Leben machen. Schließlich hätte ich Jura studiert und andere wären froh, wenn sie das auch machen könnten.

Na und, dann bin ich eben Volljuristin. Heißt das automatisch, dass ich diesen Beruf ausüben muss? Ich habe im Referendariat gemerkt, dass es nicht das Richtige für mich ist. Später wurde mir klar, dass ich Jura nur studiert habe, weil meine Familie das von mir erwartet hat. Ich hab's halt komplett durchgezogen, weil ich ein Mensch mit Durchhaltevermögen und Disziplin bin. Das verpflichtet mich aber nicht dazu, den Rest meines Lebens eine Tätigkeit auszuüben, die mich nicht befriedigt und nicht erfüllt.

Behandele andere Menschen so, wie du selbst behandelt werden willst

Mir persönlich ist es auch total egal, was andere von mir denken. In erster Linie bin ich ausschließlich mir selbst gegenüber verantwortlich. Ich selbst muss mich jeden Morgen im Spiegel angucken und mit den Konsequenzen meines Handelns leben können. Ich — und nicht meine Familie oder Freunde. Ich nehme mir auch nicht das Recht heraus, über das Leben anderer zu urteilen.

Aber meine Familie kann sich natürlich gerne für mich "fremdschämen". Ich erwarte auch nicht, dass sie mich und mein Handeln verstehen. Erwartungen habe ich grundsätzlich erstmal an mich selbst. Erwartungen, die man an andere Personen hat, sollten mit dieser Person abgeklärt werden, damit man hinterher nicht enttäuscht ist, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden.

Mein Haus, mein Auto, mein Boot

Die Äußerung meiner Tante zeigt im Grunde auch nur, wie sehr Menschen von der Meinung anderer, von dem Bild, das andere von ihnen haben, abhängig sind. Ich finde das sehr traurig. Das ist so typisch: Mein Haus, mein Auto, mein Boot ‐ eine Definition anhand von Statussymbolen. Viel Spaß im Hamsterrad — wer seine Arbeit verliert und sich seine Statussymbole nicht mehr leisten kann, ist dann natürlich auch gleich nichts mehr wert und verliert alle Freunde. Na, wenn das man richtige Freunde sind.

Leben und Leben lassen

Ich vertrete eher die Auffassung: Leben und Leben lassen. Soll doch ein jeder tun, was er möchte. Wenn jemand nicht arbeiten möchte, dann soll er zu Hause bleiben und ALG II beziehen — das muss ein Sozialstaat aushalten können. Wenn jemand merkt, sein Job ist sch..., dann soll er doch etwas anderes machen. Wenn jemand merkt, das ist nicht der Partner für's Leben, dann soll er sich trennen. Und wenn jemand mit Abitur meint, seine Erfüllung im Putzen von Toiletten gefunden zu haben, dann soll er halt Toiletten putzen. Wo ist das Problem?

Die inneren Werte sind wichtig

Der Wert eines Menschen richtet sich ganz bestimmt nicht nach Statussymbolen, seinem Aussehen, seinem Einkommen oder der Art seiner Tätigkeit. Es kommt auf die inneren Werte an und nicht auf die äußeren. Der Charakter, die Erfahrungen der Vergangenheit, die Erziehung, die Gefühle, die "Fehler und Macken" — all das sind doch die Dinge, die einen Menschen ausmachen. Klar, Geld macht vieles einfacher. Aber Geld allein macht auch nicht glücklich. Oder bin ich besonders toll, wenn ich den allerneusten Flatscreen im Wohnzimmer habe? Bin ich deswegen liebenswert und habe ich deswegen Freunde? Das ist echt bedauernswert!

Meine alternative Lebensform

Ich liebe meine alternative Lebensform. Ich liebe es, zu tun und zu lassen, was ich will. Mein Sabbatical habe ich genossen und es hat positiv zu meiner persönlichen Entwicklung beigetragen. Ich werde zukünftig Corsagen und Dessous im Internet verkaufen. Es ist für mich ein befriedigendes Gefühl, zu wissen, dass andere sich toll und sexy fühlen, wenn sie diese Sachen anhaben. Und es ist doch super, wenn der Shop so erfolgreich wird, dass wir Jobs schaffen und damit anderen Menschen ein Einkommen gewährleisten können. Und wenn das nicht klappt, dann mache ich halt etwas anderes.

Die Zeit des Sabbaticals habe ich genutzt, um mich u. a. bei Digitalcourage und dem AK Vorrat zu engagieren. Das ist natürlich totale Zeitverschwendung ‐ genauso wie diese Homepage. Es lohnt sich nämlich überhaupt nicht, sich für seine Grundrechte einzusetzen. Uups, da war mein Studium wohl doch nicht umsonst. Meine Freundin (Sie ist Staatsanwältin.) sagte mal zu mir: "Sandra, du willst nicht als Juristin arbeiten und hast von uns allen doch am Meisten mit Jura zu tun."


26.01.2014 Sandra Böhm, mailandra-boehm.de.
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